Berichte von 09/2019

Ein Abenteuer - Fahrt nach Lyon und zurück nach Taizé

Mittwoch, 25.09.2019

Als ich am Samstag auf meine Arbeitsliste sah, erschrak ich leicht. Neben bereits bekannten Jobs wie Gemeinschaftsraum hüten (morgens) und Cadole (praktische Arbeit am Nachmittag) hatte ich für Freitag einen extra Job: "airport Lyon Saint Exupérie". Da stand ich erstmal fragend davor, ein Treffen war für Donnerstagabend angegeben sowie der Hinweis, dass ich 'public transport' nutzen würde.

Normalerweise werden Permanents, die mit dem Flugzeug nach Hause reisen müssen, mit dem Auto hingefahren. Deswegen war ich ziemlich verwirrt und musste bis Donnerstagabend warten.

Das Treffen mit Bruder Matthias brachte dann die Auflösung. Seit Juni diesen Jahres werden auch öffentliche Verkehrsmittel genutzt, um Ressourcen zu sparen und nachhaltiger zu sein (und vielleicht weil die Autos von Taizé generell nicht die besten sind). Um die abreisenden Permanents bei Gepäck und auf dem ersten Schritt Richtung Zuhause zu unterstützen, bekommen sie eine Begleitung. In meinem Fall begleitete ich Reine aus dem Lybanon zum Flughafen in Lyon. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln. 

Dafür bekam ich von Bruder Matthias eine Mappe mit Informationen, Stadtplan, Abfahrts- und Ankunftszeiten, ein Diensttelefon und diverse Fahrkarten. Und etwas Bargeld für den Notfall. Außerdem hatte ich die Aufgabe, Straßenbahntickets zu kaufen für nächste Begleitungen.

Die Nacht von Donnerstag zu Freitag konnte ich kaum schlafen, weil ich alle Szenarien durchging, was alles schief gehen könnte. Das Abenteuer begann dann um 9h39 mit dem Bus nach Macôn (etwa eine Stunde), ging weiter mit dem Zug nach Lyon (etwa 45min) und machte dann eine uneingeplante Pause am Straßenbahnticketautomaten. Der nahm nämlich nur Karte oder Münzgeld an - keinen 20€-Schein von Bruder Matthias. Ein Glück hatte ich etwas Kleingeld mit und konnte auslegen, aber den Schock vor dem Automaten werde ich nicht vergessen. Mir tat auch Reine leid, weil ich kurz vor der Panik stand und sie ja eigentlich Sicherheit von mir erwarten sollte.

Mit der Straßenbahn fuhren wir etwa eine halbe Stunde, stiegen dann in den Bus zum Flughafen um. Dort angekommen half ich Reine beim Gepäck und brachte sie bis zum Einchecken. 

Ich war noch nie in so einem großen Flughafen gewesen (bin noch nie geflogen und habe nur einmal Leute zum Frankfurter Flughafen begleitet). Wir brauchten etwa 20min, um zum richtigen Terminal zu gelangen. Dann verabschiedeten wir uns und waren jeweils auf uns allein gestellt.

Ich war echt nervös auf dem Rückweg. Ständig schaute ich in der Mappe nach, ob ich richtig war und welche Zeit für das nächste Transportmittel am besten wäre. Letztendlich war ich 15h30 wieder im Bahnhof Lyon und suchte meinen Zug nach Macôn.

Und suchte. Und fragte. Und suchte weiter. Bis mir bewusst wurde, dass in Frankreich das Gleis erst 20min vor der Abfahrt bekannt gegeben wird. Dann entspannte ich mich und ging in den nächsten Laden, um Süßigkeiten zu kaufen. Ab dann verlief alles nach Plan und gegen 18h40 war ich wieder in Taizé.

Bruder Matthias war sehr zufrieden mit mir und gab mir auch das Geld wieder für die Tickets. Danach konnte ich etwas essen, zum Gebet gehen, meine Eltern anrufen und schlussendlich ins Bett fallen und schlafen. 

Sonstiges aus dieser Woche: Ich bin offiziell im Singing Support Team und darf mittlerweile allein singen. Es ist toll! Stressig und gleichzeitig schön ist, dass man die Lieder später am Abend selbst aussuchen kann.

Danke fürs Lesen, bis demnächst! Danke auch wieder an die Kommentare, das gibt mir viel Kraft!

Verantwortung übernehmen

Dienstag, 17.09.2019

Diese Woche war anstrengend, aber echt schön. Gut, das könnte ich über jede Woche sagen - aber es gab wieder viel neues.

Denn diese Woche hatte ich plötzlich Verantwortung in meinen Jobs. Sonst war ich immer Teammitglied, dieses Mal führte ich Teams an. Na gut, zum Morgengebet hielt ich lediglich den Brotkorb mit gesegneten Brot - aber nach dem Frühstück leitete ich eine Putzgruppe bei Point 5. Das Team zu animieren, die Toiletten zu putzen, ging erstaunlich einfach, wir waren immer als erstes Team fertig. War nicht so anstrengend.

Mein nächster Job war dann anstrengend. Ich übernahm die Verantwortung für 2 Abwaschteams - einmal um 14 Uhr und um 19 Uhr. 'Washing up El - Abiodh" bedeutet, dass man die Essenbox der Permanents, Schwestern und Silenceleute säubert, Küchengeräte einordnet und schwarze Styroporboxen sauber macht und versucht, so trocken wie möglich zu bekommen ... mit Papier.

Dafür bekam ich am Montag eine kleine Einführung und war dann auf mich allein gestellt. Mein Nachmittagsteam bestand aus 8 Jugendlichen und lernte sehr schnell, war auch verständnisvoll, wenn ich selbst keine Ahnung hatte. Das Team am Abend bestand aus ebenso vielen Erwachsenen, die die Arbeit genauso gut machten wie die Jüngeren. Nur am Montagabend verließen sie mich früh, um zum Abendgebet zu gehen, ich musste den Rest allein machen. Nach einer kleinen Standpauke blieben sie den Rest der Woche, bis alles fertig war.

Dienstag bekam ich die Nachricht, dass man mich gerne singen hören würde um zu sehen, ob ich für den 'singing support' geeignet wäre. Ich war ziemlich stolz, ausgewählt worden zu sein und am nächsten Tag hatte ich ein kleines Vorsingen, wurde angenommen. Für den Singing Support (Gesangsunterstützung) muss man alle Kanons können und alle Sopranstimmen der Lieder.  Außerdem muss man anstimmen können. Ich bin ja eher Alt als Sopran, aber das war anscheinend kein Problem. Freitag hatte ich dann meine Einführung und in der nächsten Zeit geht es richtig los.

Da meine EC-Karte nicht funktioniert in der Éxposition, fuhr ich am Samstagnachmittag mit zwei Freundinnen ins nahegelegene Cluny, um im dortigen Shop meine Karte zu testen. Ging nicht. Aber am Geldautomaten funktionierte es dann, warum auch immer. Jetzt habe ich wieder etwas Bargeld, das ich für Keramik ausgeben kann. Da die Briefmarken hier 1.30 € kosten, kann ich leider keine Postkarten mehr schicken, auch wenn ich das fest vorhatte ...

Da wir nun schon mal in Cluny waren besuchten, wir gleich noch das Museum der Abtei. Da kamen wir sogar kostenlos rein! Es war interessant und spaßig.

Es tat auch einfach gut, mal aus Taizé raus zu kommen nach 1 1/2 Monaten. Etwas anderes zu sehen, auch wenn es nur eine kleine Stadt mit Supermarkt ist. Eisessen, Schokolade kaufen und Spaß haben, das tat gut. Ich freue mich schon auf den nächsten Besuch in Cluny.

Man liest sich wieder!

N'Toumi - endlich 'richtig' angekommen

Donnerstag, 12.09.2019

Als ich meinen Schrank im Zimmer 118I einräumen konnte, fühlte ich mich super. Unglaublich gut sogar! Endlich Ordnung und Schluss mit Koffern. Obwohl ich eher eine unordentliche Person bin ... das tat echt gut.

Es gibt große und kleine Unterschiede für das Leben in Madras und N'Toumi. Zum einem sind wir nicht mehr 60, sondern etwa 100 Mädchen. Besonders zu den Mahlzeiten ist es dann immer sehr laut und sehr voll im Gemeinschaftsraum. Deswegen gibt es die Ansagen immer nach dem Essen mit Übersetzungen - dafür bleiben alle 30min sitzen. Freitags ist das Mittagessen in Stille mit klassischer Musik - da fiel mir erst auf, wie laut es die letzten Tage war.

Wir haben immer noch nur eine Waschmaschine ... die ein kleines Monster ist. Ich lege mich nicht nochmal damit an und setze die nächste Zeit auf Handwäsche.

In N'Toumi gibt es 4-Bett-Zimmer. Sollte man nicht dank Bettwanzen o.ä. das Zimmer wechseln, ist man die ganze Zeit mit den gleichen Leuten zusammen (logisch). Da man länger bleibt, sind die Zimmer besser eingerichtet - neben Schränken gibt es auch einen Tisch, einen Hocker und Steckdosen. Wenn man Glück hat, funktionieren letztere sogar, aber Stromausfälle sind in N'Toumi gar nicht so selten. In dieser Woche hatten wir 3 Tage kein Licht.

Das Zimmer teile ich mir mit Ana aus Polen (zumindest bis Sonntag, dann ging es für sie zurück nach Hause), Fayal aus Indien (seit Mittwoch) und Ruma aus Bangladesch (nur für kurze Zeit, ihr Zimmer wurde dank Bettwanzenfund geschlossen und die Mädchen auf andere Zimmer aufgeteilt).

Es gibt eine kleine Bibliothek, eine große Kissenecke, Platz zum Basteln und viele Tische und Bänke im Gemeinschaftsraum. Generell ist er viel größer als der Raum von Madras und mir gefällt er sehr! Außerdem haben wir einen Computer - von 14 bis 19 Uhr kann man im Internet surfen, außerhalb dieser Zeit kann man sich mit solitaire und paint beschäftigen.

Meine Arbeit diese Woche war vormittags sehr anstrengend. Körperliche Arbeit wie Tische schleppen, Zelte putzen und abbauen, Holzplanken verladen - ich habe immer noch Schmerzen im Rücken. Nachmittags war es dann einfacher: Picknicks packen. Nach 2 Tagen waren wir damit fertig und vertrieben uns die restliche Zeit mit Kartenspielen und 'Mate' - ein Teeritual aus Argentinien, das war echt schön und viel besser als 'Club Mate' aus Deutschland. Abends war ich zuständig für das Allergikeressen - jeden Tag Reis mit Gemüse, yeah!

Ich lernte sehr viele neue Leute kennen und verbrachte doch noch etwas Zeit mit ehemaligen Madrasmädchen. Davon musste ich über die Woche noch einige verabschieden, besonders schwer fiel mir der Abschied von Niki aus Singapur. Wir haben wirklich viel Zeit miteinander verbracht, eines Tages möchte ich sie besuchen. Ich bin sehr dankbar sie kennengelernt zu haben, denn außerhalb von Taizé wären wir uns wohl nie begegnet.

Innerhalb einer Woche habe ich mich gut eingelebt (ein Schrank wirkt Wunder!!). Die Arbeit hält mich von gelegentlicher Trauer ab, man ist meist durchgehend beschäftigt. Trotzdem vermisse ich etwas die Zeit in Madras.

Mittlerweile bin ich auch gar nicht mehr 'neu' in Taizé, immerhin bin ich seit einem Monat Permanent. Deswegen fühle ich mich etwas komisch, wenn jede Woche immer noch neue Gesichter dazu kommen, neu anfangen. Und doch habe ich manchmal das Gefühl, völlig neu zu sein. Komisch.

Zuletzt noch mein Highlight der Woche - eine Gesprächsrunde zwischen heutigen Permanents und Permanents aus den Jahren 1971-1989! Sie zeigten uns ein Gesangbuch von 1989, welches nur 64 Lieder hatte (die heutigen Hefte haben 159). Außerdem noch alte Postkarten und Fotos von sich vor der Kirche. Es war eine tolle Stimmung und die 'alten' waren begeistert, dass es nach 40 Jahren noch Taizé und Permanents gibt. Dieser Ort ist wohl für die Ewigkeit.

Vielen Dank fürs Lesen!

Reflektionswoche und einige Treffen ... und wieder Abschiede

Montag, 02.09.2019

Rückblickend war diese Woche gar nicht so krass, wie ich sie mir vorgestellt habe. Das heißt aber nicht, dass sie langweilig war oder so! Nur bedeutet das Wort "Workshop" in Taizè nichts praktisches, sondern eher 2 Stunden Vortrag und Fragerunde mit Experten. Mehr dazu gleich.

Zuerst möchte ich erwähnen, dass man den Unterschied zwischen einer normalen Woche und der Reflektionswoche nicht nur an der Zahl der zu besuchenden Workshops erkennen kann, sondern auch an der Lautstärke in der Kirche und an den Leuten, die nach den Gebeten noch sitzen bleiben um zu singen und zu beten - und generell auch an der Stimmung. Selbst die Silence-Schilder taten ihre Wirkung! Dass also diese Woche kaum Leute unter 18 Jahren da waren, das merkte man. Und das meine ich echt im positiven Sinne! Es war schön, dass es etwas ruhiger war.

In meinem letzten Post schrieb ich, dasss die Permanents entweder den Vormittag oder den Nachmittag frei hätten. Das war auch der Fall, und das war auch echt schön! So konnte man sich entscheiden, ob man an einem Workshop teilnimmt oder sich im Garten etwas entspannt.Vormittags kümmerte ich mich um den Gemeinschaftsraum von Madras, nach dem Mittagessen konnte ich dann frei entscheiden was ich tun würde. Dass mir nicht ständig die Zeit im Nacken saß, war toll - auch wenn das hieß, dass man ab 17 Uhr hungrig auf das Abendessen wartete, weil es keinen Nachmittagssnack von der Arbeit gab. Meh.

Montag besuchte ich einen Workshop über jüdische Traditionen und zeitgenössische Umweltprobleme. Klang ganz interessant, war es aber letztendlich doch nicht so. Die meiste Zeit analysierten wir hebräische Wörter. Dienstag ging ich zu einem Vortrag von Kardinal Reinhard Marx zum Thema: "Das Evangelium heute leben und verkünden". Ich habe absolut keine Erinnerungen daran. Später am Tag hatte ich ein Gespräch mit Bruder Alois (und weiteren ca.150 Leuten) im Haus der Brüder. Zuerst schmierten sie Baguettebutterbrötchen und schenkten uns Tee ein, dann kam Alois hinzu und es gab eine Fragerunde. Ich saß ganz nah bei ihm, das war echt krass.

Mittwoch traf ich den Kardinal noch einmal in einer kleinen Runde mit anderen Permanents. Er selbst war zuletzt vor 44 Jahren in Taize gewesen, deswegen wollte er einige aktuelle Erlebnisse von Permanents hören. Danach war ich aber zu kaputt für einen Workshop und legte mich in den Garten.

Donnerstag war dann der Höhepunkt der Woche für mich, denn ich besuchte den Workshop über Entscheidungen im Leben. Und mir ist etwas bewusst geworden: Ich muss gar nicht so ganz ganz lange in Taizé bleiben, da ich jedes Jahr wiederkommen kann. Momentan erscheint mir eine Zeit von 6-12 Monaten viel zu lang - dieses Gefühl kann sich aber in den nächsten Wochen bestimmt wieder ändern. Aber allein der Gedanke, dass ich nicht bleiben MUSS, gab mir ganz viel gute Energie.

Samstag ging ich zum einzigen praktischen Workshop der Woche, über Kunst und emotionale Gesundheit. Aber wir haben uns eigentlich nur auf den Kunst-Part konzentriert und danach etwas über unsere Erfahrungen gesprochen. Ich hatte sehr viel Spaß beim Erschaffen von Kunstwerken aus Naturmaterialien :)

Diese Woche war die letzte Woche mit den Mädchen aus Madras - Sonntag und in der kommenden Woche machten sich fast alle wieder auf den Heimweg. Das wurde mir aber erst am allerletzten Tag so richtig bewusst, als ich letzte Gespräche führte und nette Nachrichten an die meisten Mädchen schrieb. Ich vermisse alle sehr, in den letzten Wochen sind wir zu einer netten Gruppe geworden und einige werde ich wohl nie wieder sehen. Abends bildeten wir im vorderen Teil eine Singgemeinschaft und es tat gut, gemeinsam zu singen, zu lachen und zu weinen. Der Abschied am Sonntag nach der Messe tat echt weh.

Besonders Niki aus Singapur werde ich sehr, sehr vermissen. Fast jeden Tag redeten wir stundenlang über einfach alles, so eine intensive Zeit hatte ich selten oder noch nie mit einer Person. Es ist unglaublich, was man für tolle Menschen in seinem Leben trifft und doch ziehen lassen muss. Nächste Woche ist sie zwar noch in Taizé, aber in Stille. Ich habe ein wenig Angst vor dem endgültigen Abschied, aber auch Hoffnung, sie wieder zu sehen - ob in Taizé oder irgendwo anders.

Huh, kommen wir von dieser traurigen Sache noch zum Abschluss zu einer ganz wundervollen Sache - ein Schrank. EIN SCHRANK!!! Ja, Madras wurde Sonntag geschlossen, und alle Mädchen, die noch bleiben, zogen in das neue Mädchenhaus N`Toumi. Jetzt fühle ich mich endlich so richtig "angekommen". Was sich alles ändert und so könnt ihr dann im nächsten Beitrag lesen!

Danke wieder für alle Kommentare und an alle, die sich den Blog ansehen!